Von 21. bis 23. Juni 2022 fand in Wien die erste Vertragsstaatenkonferenz des UN-Verbots von Atomwaffen (auch: TPNW) statt.

Die Vertragsstaaten veröffentlichten mit der Wiener Erklärung eine allgemeine politische Erklärung. Zusätzlich wurde ein Aktionsplan verabschiedet.

Das folgende Briefing-Papier gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Konferenz. Es fasst die wichtigsten Punkte der politischen Erklärung, sowie die wichtigsten Maßnahmen des Aktionsplans, zusammen.

Die Wiener Erklärung

  • Die Vertragsstaaten brachten ihre Besorgnis und Bestürzung über Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen zum Ausdruck und verurteilten unmissverständlich „alle nuklearen Drohungen, ob sie nun ausdrücklich oder stillschweigend und ungeachtet der Umstände erfolgen.“
  • In der Überzeugung, dass der Verbotsvertrag (auch: TPNW) unter diesen Umständen mehr denn je benötigt wird, beschlossen die Vertragsstaaten, „seine Umsetzung voranzutreiben, mit dem Ziel, Atomwaffen weiter zu stigmatisieren und zu delegitimieren und kontinuierlich eine robuste globale, zwingende Norm gegen sie zu schaffen.“
  • Die politische Erklärung bekräftigte die humanitäre Grundlage des Vertrags und die moralischen, ethischen und sicherheitspolitischen Gebote, die seine Schaffung inspiriert und motiviert haben und die nun seine Umsetzung vorantreiben und leiten.
  • Die Vertragsstaaten beschlossen, die Umsetzung aller Aspekte des Vertrags voranzutreiben, einschließlich der positiven Verpflichtungen, die darauf abzielen, den durch den Einsatz und die Tests von Kernwaffen verursachten Schaden zu beheben.
  • Sie bekräftigten auch die Komplementarität des Vertrags mit dem internationalen Abrüstungs- und Nichtverbreitungssystem, einschließlich des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV), und verpflichteten sich, den NVV und alle Maßnahmen, die wirksam zur nuklearen Abrüstung beitragen können, weiterhin zu unterstützen.
  • Die Erklärung schloss mit den Worten: „Angesichts der katastrophalen Risiken, die von Atomwaffen ausgehen, und im Interesse des Überlebens der Menschheit … werden wir nicht ruhen, bis der letzte Staat dem Vertrag beigetreten ist, der letzte Sprengkopf demontiert und zerstört wurde und die Atomwaffen vollständig von der Erde verschwunden sind.“

Der Wiener Aktionsplan

Weitere Länder zum Beitritt zum Atomwaffenverbot bewegen

Universalisierung

(TPNW Artikel 12, Aktionsplan Punkte 1 bis 14)

Die Staaten verpflichten sich, der Universalisierung Priorität einzuräumen, unter anderem mittels:

  • Durchführung von diplomatischen Besuchen in Ländern, die noch nicht dem Verbotsvertrag beigetreten sind (Aktion 3)
  • Ernennung eines/einer Regierungsvertreters/in (Kontaktstelle), der/die für diese Arbeit verantwortlich ist (Aktion 6)
  • Hervorhebung der Bedeutung des Atomwaffenverbots in Erklärungen in den Vereinten Nationen sowie Veranlassung, dass sich mehr Länder den Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die den Vertrag unterstützen, anschließen (Aktionen 8 und 9)
  • Koordinierung mit allen relevanten Partnern, einschließlich ICAN (Aktion 13)

Auf dem Web zur Abschaffung von Atomwaffen

(TPNW Artikel 4, Aktionsplan Punkte 15 bis 18)

  • Die Vertragsstaaten kamen überein, eine Frist von 10 Jahren für die Abschaffung von Kernwaffen zu setzen, wenn nuklear bewaffnete Staaten dem Verbotsvertrag beitreten, und 90 Tage für die Entfernung der Waffen aus Staaten die Atomwaffen auf ihrem Territorium stationieren, wenn diese dem Vertrag beitreten.
  • Die Staaten kamen überein, die Diskussion über die Benennung des Gremiums fortzusetzen, das für die Verifizierung der nuklearen Abrüstung zuständig sein wird (Aktion 15).

Hilfe für Menschen und Orte, die durch Atomwaffen geschädigt wurden, sowie internationale Zusammenarbeit und Unterstützung

(TPNW Artikel 6 und 7, Aktionsplan Punkte 19 bis 32)

Die Vertragsstaaten haben sich auf Schritte zur Schaffung eines Rahmens für die Umsetzung geeinigt, darunter:

  • Enge Konsultationen mit den betroffenen Gemeinschaften in allen Phasen und Einbeziehung der Zivilgesellschaft und des UN-Systems (Aktionen 19 und 24)
  • Einsetzung eines/einer Regierungsvertreters/in (Focal Point), der/die innerhalb von drei Monaten für diese Arbeit ernannt wird, und folgend verantwortlich ist, sowie die Verabschiedung von nationalen Gesetzen zu deren Umsetzung (Aktionen 21 und 22)
  • Gewährleistung der Grundsätze der Zugänglichkeit, der Inklusivität und der Nichtdiskriminierung sowie der Transparenz und Prüfung eines Berichtsformats (Aktionen 25 und 28)
  • Prüfung der Einrichtung eines internationalen Treuhandfonds zur Finanzierung dieser Arbeit (Aktion 29)

Staaten, die sich durch den Einsatz von Kernwaffen und Kernwaffentests beeinträchtigt sehen, erklärten sich bereit:

  • bis zum zweiten Treffen mit der Überprüfung der Auswirkungen des Einsatzes von Kernwaffen in ihrem Land zu beginnen (Aktion 30)
  • bis zum zweiten Treffen einen nationalen Plan zu entwickeln, um denjenigen zu helfen, die vom Einsatz von Kernwaffen und von Kernwaffentests betroffen sind, und um die Umwelt zu sanieren (Aktion 31)

Andere Staaten – die (noch) keine Vertragsstaaten des Atomwaffenverbots sind – erklärten sich ebenfalls bereit, Staaten, die sich als betroffen betrachten, finanzielle und technische Unterstützung zu gewähren (Aktion 32).

Einbeziehung der Zivilgesellschaft und besonders betroffener Gemeinschaften

(Aktionsplan Punkte 39 bis 42)

Zusätzlich zu den Verweisen auf die Einbeziehung in allen Ergebnisdokumenten gibt es einen speziellen Abschnitt mit Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass diese Arbeit inklusiv und transparent ist, einschließlich der folgenden Maßnahmen:

  • Enge Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), der Wissenschaft, den betroffenen Gemeinschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft (Aktion 40)
  • Erleichterung der aktiven Beteiligung der relevanten Akteure und Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen in den betroffenen Gemeinschaften (Aktion 41)

Progressiver Ansatz für Gender und Abrüstung

(Aktionsplan Punkte 47 bis 50)

Zur Umsetzung der Gender-Bestimmungen des TPNW.

Der Wiener Aktionsplan verpflichtet die Staaten, ihre Verpflichtung zur Gleichstellung der Geschlechter in die Tat umzusetzen, unter anderem durch:

  • Ernennung eines Gender Focal Point, der/die die Umsetzung der Gender-Bestimmungen koordiniert (Aktion 48)
  • Entwicklung von Leitlinien, um alters- und geschlechtsspezifische Hilfe für diejenigen zu gewährleisten, die durch den Einsatz und die Erprobung von Kernwaffen geschädigt wurden, und um Gender-Perspektiven in die internationale Zusammenarbeit und Hilfe zu integrieren (Aktionen 49 und 50)

Weiterführung der Arbeit

(Aktionsplan Punkte 43 bis 45)

Beschluss über die Einrichtung einer intersessionellen Struktur (= Zeit zwischen den Vertragsstaatenkonferenzen) für die Durchführung des Vertrags und zusätzliche Aspekte der Unterstützung der Vertragsdurchführung

  • Die Staaten kamen überein, informelle Arbeitsgruppen einzurichten, um diese Aktionen voranzutreiben, sowie einen Ausschuss, der sie koordiniert, die Zivilgesellschaft einbezieht und mindestens einmal im Quartal zusammentritt.
  • Zu den informellen Arbeitsgruppen gehören:
    • eine zur Universalisierung, unter dem gemeinsamen Vorsitz von Südafrika und Malaysia;
    • eine zur Unterstützung von Opfern, zur Umweltsanierung, zur internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung, unter dem gemeinsamen Vorsitz von Kasachstan und Kiribati;
    • und eine zur Umsetzung von Artikel 4, insbesondere zur Arbeit im Zusammenhang mit der künftigen Benennung (einer) zuständigen internationalen Behörde(n), unter dem gemeinsamen Vorsitz von Mexiko und Neuseeland.

Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und anderen UN-Verträgen

(Aktionsplan Punkte 33 bis 34)

Beschluss zur Institutionalisierung der wissenschaftlichen und technischen Beratung für die wirksame Umsetzung des Vertrags (Einrichtung einer wissenschaftlichen Beratergruppe) und Institutionalisierung der wissenschaftlichen sowie technischen Beratung für die wirksame Umsetzung des TPNW.

Die Staaten haben beschlossen, eine wissenschaftliche Beratergruppe einzurichten, die folgende Aufgaben hat:

  • die Vertragsstaaten beraten
  • regelmäßig über den Stand und die Entwicklungen in Bezug auf Kernwaffen, Kernwaffenrisiken, die humanitären Folgen von Kernwaffen, nukleare Abrüstung und damit zusammenhängende Fragen zu berichten
  • sich aus bis zu 15 Mitgliedern zusammensetzt, und
  • die Notwendigkeit einer umfassenden Streuung relevanter wissenschaftlicher und technologischer Fachgebiete, eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses und einer gerechten geografischen Verteilung berücksichtigt.

Die Beziehung des Atomwaffenverbots (TPNW) zum nuklearen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregime:

(Aktionsplan Punkte 35 bis 38)

Die Staaten waren sich einig, dass das Atomwaffenverbot (TPNW) auf einer reichhaltigen und vielfältigen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsarchitektur aufbaut, zu ihr beiträgt und sie ergänzt, und einigten sich auf einige Schritte, um dies hervorzuheben:

  • Ernennung eines/einer informellen Koordinators/in, der/die die Bereiche für die Zusammenarbeit zwischen dem Atomwaffenverbot (TPNW) und dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) festlegen soll (Aktion 36)
  • Zusammenarbeit mit anderen internationalen Gremien wie der IAEO und der CTBTO, um die Zusammenarbeit zu verbessern (Aktion 37)

Quelle: https://www.icanw.org/vienna_declaration_action_plan_overview


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