Einmal im Jahr vergibt die US-amerikanische Organisation Arms Control Association den Titel der „Arms Control Person of the Year“ an Personen für ihren persönlichen Einsatz im Bereich der Abrüstung. Wir freuen uns sehr, dass dieses Jahr – 70 Jahre nach den Bombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki – Setsuko Thurlow und die Überlebenden Hibakusha mit dieser Auszeichnung geehrt werden.

Die Hohe Vertreterin der EU, Frederica Mogherini, sowie den US-Staatssekretär John Kerry und den iranischen Außenminister Javad Zarif haben Setsuko und die Hibakusha in der Online-Wahl weit hinter sich gelassen (siehe hier eine Liste aller neun Nominierten). Vorige Würdenträger dieser Auszeichnung waren u.a. der österreichische Diplomat Botschafter Alexander Kmentt (für seine Verdienste rund um die Organisation der Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Kernwaffen, 2014) und CTBTO-Generalsekretär Lassina Zerbo (2013).

Die „Arms Control Persons“ der Jahre 2014 und 2015 mit Nadja Schmidt bei der NPT Überprüfungskonferenz 2015 in New York

Setsuko Thurlow war 13 Jahre alt, als am 6. August 1945 „Little Boy“ über ihrer Heimatstadt Hiroshima detonierte. Familienmitglieder  und Freund*innen fielen den Explosionen zum Opfer – Setsuko überlebte als eine der wenigen ihrer Schulklasse die Explosion und ist somit eine Hibakusha.

Wie durch ein Wunder wurde ich aus den Trümmern eines zusammengefallenen Gebäudes gerettet, das etwa 1.8 km vom Einschlagsort der Bombe entfernt lag. Die meisten meiner Klassenkameraden im Raum wurden bei lebendigem Leibe verbrannt. Ich höre immer noch ihre Stimmen, wie sie nach ihren Müttern schreien. Als ich mit zwei anderen Überlebenden entkam, sahen wir eine Prozession an geisterhaften Gestalten, die sich vom Stadtzentrum wegschleppten. Menschen mit grotesken Wunden, mit zerrissenen Kleidern, oder von der Druckwelle entkleidet. Sie bluteten, waren verbrannt, verkohlt und aufgequollen. Ihnen fehlten Körperteile, Fleisch und Haut hingen an ihren Knochen herab, einige trugen ihre Augäpfel in ihren Händen und andere hatten aufgeplatzte Mägen, aus denen ihre Eingeweide heraushingen.

Hibakusha: So werden in Japan die Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki genannt. In der japanischen Nachkriegsgesellschaft waren die Hibakusha lange Zeit marginalisiert. Menschen hatten Angst vor den Strahlenfolgen und vor vermeintlichen Kontaminierungsgefahren. Auch die Regierung tabuisierte zunehmend die Katastrophe, um eine potenzielle Stigmatisierung des Ausbaus der zivilen Nutzung von Kerntechnologie zu vermeiden.

Vor vielen Jahren fasste Setsuko den Entschluss, gegen dieses Tabu und für eine Abschaffung von Nuklearwaffen zu kämpfen. Auf internationalen Konferenzen, in den Medien, vor Entscheidungsträger*innen und Aktivist*innen, sowie weltweit in Schulen erzählt Setsuko Thurlow ihre Geschichte, um die Menschen für das katastrophale humanitäre Leid, das durch den Einsatz von Nuklearwaffen ausgelöst wird, zu sensibilisieren.

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Setsuko beim ICAN Civil Society Forum in Wien, Dezember 2014

2014 war Setsuko Thurlow in Wien zu Gast: Gemeinsam mit weiteren Überlebenden – den Mitgliedern der NGO Hibakusha Stories –  teilte sie ihre Geschichte mit den Teilnehmer*innen des ICAN Civil Society Forums (siehe Foto). Außerdem wurde sie eingeladen, die Wiener Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Kernwaffen einzuleiten:

70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki tragen die Hibakusha weiterhin dazu bei, dass die Welt sich daran erinnert was Nuklearwaffen anrichten können. Sie inspirieren Menschen dazu, sich für eine nuklearwaffenfreie Welt einzusetzen. Die Zahl der Überlebenden von damals schwindet langsam – darum ist die Auszeichnung ein wichtiges Symbol dafür, wieviele Menschen die Hibakusha erreicht haben.

Autorin: Philine Scherer-Dressler

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