Positionspapier | Juni 2017

Der Text des Vertragsentwurfes für ein Verbot von Nuklearwaffen wurde von der Vorsitzenden der Verhandlungskonferenz, der costa-ricanischen Botschafterin Elayne Whyte am 22. Mai 2017 veröffentlicht. Der Entwurf beruht auf den Diskussionen und Beiträgen aus der ersten Verhandlungsrunde, die zwischen 27. und 31. März 2017 in den Vereinten Nationen in New York stattgefunden haben.

Die Verhandlungen werden nun auf dieser Grundlage von 15. Juni bis 7. Juli fortgeführt.  

ICAN begrüßt den Entwurf als Meilenstein in den jahrzehntelangen Bemühungen, Nuklearwaffen aufgrund ihrer unmenschlichen und willkürlichen Auswirkungen zu verbieten. ICAN erwartet, dass die Konvention bereits kurz nach ihrer Annahme zur Unterzeichnung und Ratifizierung vorliegen wird – ICAN wird für eine größtmögliche Unterstützung werben, sodass möglichst viele Staaten den Vertrag unterzeichnen und ratifizieren.

Präambel

ICAN begrüßt, dass die Präambel klar die katastrophalen humanitären Konsequenzen jeglichen Einsatzes von Nuklearwaffen, sowie die Bedeutung des humanitären Völkerrechts hervorhebt. Die einleitenden Paragraphen würdigen darüber hinaus die Opfer von Atomwaffendetonationen, insbesondere Hibakusha, aber auch die von Atomwaffentests Betroffenen – und untermauern damit die Beweggründe der Staatengemeinschaft, diese Initiative zu ergreifen. Erstmals werden auch die genderspezifischen Auswirkungen von Nuklearwaffen thematisiert und somit eine überfällige Wende hin zu einer geschlechtersensiblen Betrachtung der nuklearen Bedrohung vollzogen.

Dennoch müssen aus der Sicht von ICAN folgende Aspekte in der Präambel stärker betont werden:

  • Die relevanten Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts, der Menschenrechte und des Umweltrechts bilden den Ausgangspunkt und die Basis für diesen Vertrag – dies muss klar artikuliert werden.
  • Die Präambel sollte klar hervorheben, dass vor allem die Zivilbevölkerung von den katastrophalen humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen betroffen wäre und dies gegen das Diskriminierungsgebot des humanitären Völkerrechts verstößt. Darüber hinaus fehlt der Verweis darauf, dass im Falle eines versehentlichen oder vorsätzlichen Einsatzes von Nuklearwaffen die Akteure des Katastrophenschutzes überfordert wären und keine Krisenreaktion möglich ist, um ausreichend humanitäre Hilfe leisten zu können.
  • Der Entwurf weist zwar auf die Auswirkungen von ionisierender Strahlung auf die Gesundheit von Müttern und Mädchen hin, aber Nuklearwaffen haben noch viel weitreichendere geschlechterspezifische Folgen – sowohl durch physische Auswirkungen als auch auf Grund sozialer Strukturen. Der Vertragstext sollte daher die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Nuklearwaffen auf Frauen und Mädchen im weiteren Sinne umfassender anerkennen.
  • Auch die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Nuklearwaffen auf indigene Gemeinschaften rund um die Welt sollten in der Präambel klar anerkannt werden.
  • Der Vertrag über ein Verbot von Nuklearwaffen folgt anderen Übereinkommen und Verboten von Waffengattungen, die inakzeptable humanitäre Folgen in der Zivilbevölkerung anrichten. Daher sollte es einen klaren Verweis auf solche Übereinkommen geben, wie insbesondere die Biowaffenkonvention, die Chemiewaffenkonvention, das Übereinkommen über bestimmte konventionelle Waffen und die dazugehörigen Protokolle, der Vertrag über die Ächtung von Landminen, und das Verbot von Streumunition.
  • Die Vertragsstaaten sollten in der Präambel klarstellen, dass Nuklearwaffen angesichts ihrer willkürlichen Natur, ihrer inhärenten Unmoralität und ihres Potentials die Menschheit auszulöschen, keinem rechtmäßigen Zweck dienen können.
  • Neben den Auswirkungen auf die sozioökomische Entwicklung, sollte die Präambel auf die Ressourcen, welche für die Entwicklung, Wartung und Modernisierung von nuklearen Arsenalen aufgewendet werden, hinweisen.

Allgemeine Verpflichtungen

Eine Konvention über das Verbot von Atomwaffen wird die Gesetzeswidrigkeit von Nuklearaffen im internationalen Völkerrecht verankern, ihren Besitz stigmatisieren und durch internationalen Druck nukleare Abrüstung vorantreiben. Nuklearwaffen würden mit anderen bereits geächteten Massenvernichtungswaffen, mit biologischen als auch mit chemischen, gleichgesetzt.

ICAN begrüßt die umfassenden Verbotsbestimmungen über den Einsatz, die Entwicklung, die Produktion, die Herstellung, die Aneignung, des Besitzes, die Lagerung, des Transfers, und des Testens von Nuklearwaffen, sowie andere Staaten in jeglicher dieser Aktivitäten zu unterstützen, zu ermutigen oder zu veranlassen.

  • Da dieser Vertrag vor allem im humanitären Völkerrecht verankert ist, ist das Verbot jeglichen Einsatzes von Nuklearwaffen primär – dies sollte wie bei anderen Verbotsverträgen von inhumanen Waffengattungen verdeutlicht werden.
  • Der Vertrag sollte Vertragsstaaten die Teilnahme an militärischen Vorbereitungen auf einen Einsatz von Nuklearwaffen explizit untersagen, um jeglicher Androhung oder Anwendung von Nuklearwaffen entgegenzuwirken. Womit auch die nukleare Teilhabe innerhalb der NATO umfassend verboten wäre.
  • Der Vertrag sollte auf bestehenden Verboten von Waffen – einschließlich der Verbote von Massenvernichtungswaffen – aufbauen und diese stärken. Analog zu bestehenden Verboten von Massenvernichtungswaffen, sollte es Staaten untersagt sein, Nuklearwaffen zu “entwickeln, produzieren, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern oder behalten”.
  • Der Entwurf sieht bereits ein Verbot der Hilfestellung vor – dieses könnte aber durch ein Verbot der direkten oder indirekten Finanzierung von Aktivitäten, die laut Vertrag verboten sind, noch stärker sein. Solch ein explizites Verbot fußt auf der wachsenden Erkenntnis, dass finanzielle Unterstützung von Unternehmen, welche wesentliche Bestandteile von unmenschlichen Waffen herstellen, eine Form von Hilfestellung ist. Der Verweis auf die “Finanzierung” als Form von Hilfestellung würde den gesamten Text aussagekräftiger machen und im Hinblick auf die Umsetzung des Vertrages mehr Klarheit schaffen.

Sicherungsmaßnahmen

In der nächsten Verhandlungsrunde sollten stärkere Sicherheitsklauseln aufgenommen werden, das Gewohnheitsrecht gestärkt und ein klares Bekenntnis zu einer atomwaffenfreien Welt abgeben werden.

In dieser Hinsicht sollten die verhandelnden Staaten sicherstellen, dass der Vertragstext nicht geringere Sicherungsmaßnahmen vorsieht, als solche, zu denen sich Staaten bereits andernorts verpflichtet haben. Der Vertrag soll im Gegenteil zu höheren Standards ermutigen, welche in entsprechenden Foren verhandelt werden. Es sollte genügend Flexibilität geben, um eine kontinuierliche Weiterentwicklung bei den Standards von Sicherungsmaßnahmen zu ermöglichen.

Vernichtung von Nuklearwaffenarsenalen

Die Artikel 2, 4 und 5 widmen sich der Frage der Verantwortung von Staaten, welche Nuklearwaffen in der Vergangenheit besaßen und diese vernichtet haben, und Staaten, die Nuklearwaffen möglicherweise immer noch besitzen. Die Regelungen für Staaten, die ihre Bestände bereits zerstört oder beseitigt haben, sind sehr präzise. Jegliche Maßnahmen oder Verpflichtungen hinsichtlich der Zerstörung bestehender Arsenale welche Beitrittsstaaten haben könnten auf spätere Protokolle oder Vereinbarungen aufgeschoben. Die Vorschriften über Maßnahmen oder Vernichtungen zur Zerstörung noch bestehender Arsenale werden dagegen auf spätere Protokolle oder Vereinbarungen verschoben. Um die Kohärenz mit anderen Verboten von Waffengattungen zu wahren, sollte der Vertrag eine klare und explizite Verpflichtung zu einer nachweisbaren und zeitgebundenen Vernichtung jeglicher Bestände enthalten.

Unter anderen bedürfen folgende Punkte weiterer Klärung:

  • Artikel 5 sollte einen Mechanismus vorsehen, der Staaten im Besitz von Nuklearwaffen die Möglichkeit bietet, dem Vertrag beizutreten und die Verbote und Verpflichtungen zur Zerstörung der Waffenarsenale unter Berücksichtigung einer von den Vertragsstaaten gesetzten Frist sowie mit wirksamer Überprüfung und Sicherheitsklauseln zu akzeptieren.
  • Die Artikel geben keinerlei Auskunft darüber, wie Staaten, die ehemals Nuklearwaffen auf ihrem Staatsgebiet stationiert haben, bestätigen können, dass solche Regelungen einer nuklearen Teilhabe nicht mehr bestehen. Des Weiteren sind derzeit noch keine Vorgänge vorgesehen, mittels welcher Vertragsstaaten bestätigen können, dass Nuklearwaffen in ihrer Sicherheitspolitik keine Rolle mehr spielen. Die Forderungen des Artikels 2 könnten mit einer Verpflichtung erweitert werden, über die Erfüllung der allgemeinen Verpflichtung aus dem Vertrag Bericht zu erstatten.

Bestimmungen über Opferhilfe, Umweltschutzmaßnahmen und internationale Zusammenarbeit und Unterstützung

Die Präambel und Artikel 6 des Entwurfs enthalten Elemente, welche eine starke Basis für Bestimmungen bezüglich Opferhilfe bieten. Der Text erkennt die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen und das den Opfern zugefügte Leid an, verweist auf die Rolle der Opfer und enthält eine Bestimmung zur angemessenen Hilfeleistung für die Betroffenen von Versuchen und Einsätzen von Nuklearwaffen. Diese Bestimmungen müssen ausgeweitet und dabei verdeutlicht werden, was die Unterstützung der Opfer nuklearer Waffen beinhaltet. Die Standards der Opferhilfe, die von anderen Verträgen gesetzt werden, müssen dabei aufrechterhalten werden. Auch die Präambel sollte auf die Notwendigkeit, die Rechte der Opfer vollständig anzuerkennen eingehen.  Insbesondere:

  • Die Anforderung, Opfern, die unter die Rechtsprechung eines Staates fallen oder unter seiner Kontrolle stehen, Rechte und Unterstützung zu gewähren, sollte für alle Staaten gelten. Dies steht im Einklang mit den bestehenden Menschenrechtsverpflichtungen der Staaten. Staaten, die für die Erfüllung dieser Verpflichtung Unterstützung benötigen, sollten das Recht haben, diese anzufordern.
  • Der Text sollte Grundsätze der Opferhilfe sowie die Umsetzung detaillierter darstellen. Auch sollte es Richtlinien und genauere Bestimmungen zur Berichterstattung geben.
  • Der Text sollte eine Definition von Nuklearwaffenopfern enthalten, um Klarheit darüber zu verschaffen, welche erlittenen Schäden und beeinträchtigte Rechte im Rahmen des Vertrages liegen.
  • Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung sollte ebenfalls im Vertrag enthalten sein, in dem Sinne, dass die Betroffenen eines Nuklearwaffen-Einsatzes nicht diskriminiert werden sollen.

Der Entwurf enthält darüber hinaus eine starke Basis für Bestimmungen betreffend die Wiederherstellung der betroffenen Umwelt. Nach derzeitigem Stand beschränkt sich Artikel 6 jedoch ausschließlich auf das Recht der Vertragsstaaten, für die Rehabilitation der Umwelt Unterstützung anzufordern. Um diese Bestimmung zu stärken und in Einklang mit vergleichbaren Standards für andere Waffengattungen zu bringen, bedarf es folgender Ergänzungen:

  • Die Verantwortung von Staaten festschreiben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Gewässer und Landflächen unter ihrer Rechtsprechung oder Kontrolle zu rehabilitieren. Wie bereits in Artikel 6 vorgesehen, sollten Vertragsstaaten, die für die Erfüllung dieser Verpflichtung Unterstützung benötigen, diese auch anfordern können.
  • Genauer auf Grundsätze für die Umweltsanierung und Maßnahmen zu ihrer Umsetzung, sowie den Schutz der Zivilbevölkerung vor Umweltschäden und Richtlinien für deren Ausführung und Berichterstattung festlegen.

Treffen der Vertragsstaaten

Artikel 9 sieht regelmäßige Vertragsstaatentreffen, sowie Überprüfungskonferenzen vor und beschreibt die Aufgaben dieser Treffen. Um die Wirksamkeit des Artikels und die Konsistenz mit anderen Waffenübereinkommen zu gewährleisten, sollten folgende Änderungen vorgenommen werden:

  • Der Vertragstext sollte sicherstellen, dass das Hauptziel der Treffen von Vertragsstaaten eine Diskussion über Maßnahmen zur Unterstützung der Absichten und Ziele dieses Vertrages ist.
  • Der Vertrag sollte die Möglichkeit jährlicher Vertragsstaatentreffen vorsehen, um einen kontinuierlichen Diskurs über das Verbot und die Abschaffung von Nuklearwaffen zu gewährleisten.
  • Der Vertrag soll festlegen, dass internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft nicht nur eingeladen werden, den Vertragsstaatentreffen und Überprüfungskonferenzen beizuwohnen, sondern auch teilzunehmen, mindestens in gleicher Weise wie internationale Organisationen und die Zivilbevölkerung auch an den Verhandlungen über den Vertrag beteiligt sind.
  • Der Vertrag sollte ein Vertragsorgan einrichten, welches mit dessen Umsetzung betraut wird, sowie mit der Organisation der Vertragsstaatentreffen, des Voranbringens der Ratifizierung, der Entwicklung von Verifizierungs- und Durchsetzungsmechanismen sowie der Aufklärung der Öffentlichkeit über den Vertrag und die humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen.

Universalität

Der Text soll Vertragsstaaten dazu verpflichten, den Vertrag und die damit etablierte Norm zu fördern, durch die Verbreitung von Informationen über dessen Inhalt, Ziel und Zweck gegenüber dem Militär, der Öffentlichkeit und anderer Staaten, um diese zu einem Beitritt und zur Einhaltung des Vertrages zu bewegen. Diese Standards zur Erreichung universeller Gültigkeit entsprechen den Errungenschaften der Konvention zum Verbot von Streumunition.

Vertragsdauer

Der Vertragstext sollte festlegen, dass jeglicher Austritt aus dem Vertrag als eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verstanden wird. Zusätzlich sollte die Rücktrittsfrist verlängert werden.

Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkommen

Der Vertrag über ein Verbot von Nuklearwaffen baut auf vorangehenden völkerrechtlichen Instrumenten auf – sowohl hinsichtlich der Verbreitung von Nuklearwaffen und der Verbote willkürlicher und inhumaner Waffengattungen.

  • Der Vertragstext sollte hervorheben, dass Staaten weiterhin an bestehende Bestimmungen des Nichtverbreitungsvertrages, des umfassenden Verbotes von Nuklearversuchen, und der nuklearwaffenfreien Zonen gebunden sind.
  • Der Text könnte auch auf die Bestimmungen der Genfer Konvention und die Verbote der anderen beiden Massenvernichtungswaffen, das Biowaffenübereinkommen und das Chemiewaffenübereinkommen, hinweisen.

 

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